„Zur großen Überraschung aller Beteiligten wendet sich die Staatsregierung Bayerns gemeinsam mit anderen Ländern im Bundesrat gegen die Einführung einer über Jahre ausgehandelten und breit unterstützten Personalbemessung in der stationären Krankenpflege“, empört sich Luise Klemens, Landesbezirksleiterin von ver.di Bayern: „Ungeachtet fortwährender Lippenbekenntnisse zur Stärkung der Pflege will man das auf den Weg gebrachte Personalbemessungsinstrument (PPR 2.0) in letzter Minute im Bundesrat zu Fall bringen.“
Im Rahmen der ‚Konzertierten Aktion Pflege‘ der alten Bundesregierung haben der Deutsche Pflegerat, die Gewerkschaft ver.di und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) ein Instrument zur Personalbemessung im Krankenhaus erarbeitet. Dieses wurde 2019 unter dem Titel Pflegepersonal-Regelung (PPR 2.0) vorgelegt. Erst Bundesgesundheitsminister Lauterbach griff das Thema auf. Das vorgelegte Instrument wurde über zahlreiche Expertenkreise und ein aufwendiges Testlaufverfahren auf seine Praxistauglichkeit geprüft. Es beruht zudem auf der Logik eines seit 1993 bekannten und vielfach genutzten Personalbemessungsinstrumentes. „Kaum nachvollziehbar ist die Intervention Bayerns auch deshalb, da die zur Abstimmung anstehende Verordnung zunächst v.a. einen Ist-Soll-Vergleich vornimmt“, kritisiert Dr. Robert Hinke, Fachbereichsleiter für Gesundheit & Bildung in ver.di Bayern: „Weitere Verordnungen für die verbindliche Einführung sollen folgen. Es geht zunächst also vor allem um Transparenz über die Personalsituation. Offenbar will man die Misere des Personalmangels nicht schwarz auf weiß dokumentiert wissen.“
„Wir arbeiten am Limit. Mit der Qualität der Patientenversorgung steht es nicht am besten. Viele Krankenhäuser müssen aufgrund von Personalmangel Stationen vorläufig oder auf Dauer schließen, was den ökonomischen Druck in den Häusern noch erhöht“, kritisiert Felix Holland, Pflegelehrer und Personalrat in der Sozialstiftung Bamberg. Ohne bessere Arbeitsbedingungen wird es keine Kehrtwende zu mehr Personal und einer guten Patientenversorgung geben. Der Personalexodus wird zunehmen, die Qualität der Patientenversorgung weiter abnehmen.“
„Viele Krankenhäuser haben wirtschaftliche Probleme, die anstehende Krankenhausreform wirft unzählige Fragen auf. Gerade in Zeiten der Verunsicherung braucht es ein klares Bekenntnis für bessere Arbeitsbedingungen“, erklärt Hinke: „Viel zu lange haben die politisch Verantwortlichen, gerade auch in Bayern, über die wachsenden Probleme hinweggesehen. Nur durch eine verbindliche und bedarfsorientierte Personalbemessung lassen sich die Arbeitsbedingungen in der Pflege langfristig und nachhaltig verbessern. Ein weiter so führt geradewegs in den Kollaps des Gesundheitssystems. Das dürfte Flächenländer wie Bayern als erstes treffen.