„Die gesamte Verfahrensweise zur Novellierung der Pflegevereinigung wirft grundlegende Fragen zu demokratischen Gepflogenheiten in Bayern auf“, so Luise Klemens, Landesbezirksleiterin von ver.di Bayern: „Offenbar strebt die Staatsregierung einen von langer Hand geplanten Umbau der Vereinigung der Pflegenden in Bayern (VdPB) an, den man der Öffentlichkeit gegenüber verbergen will“. Schritte in Richtung eines hochumstrittenen Umbaus zur Pflegekammer sind offenkundig, zumal mit der geplanten Einsetzung einer neuen Kommission zur Weiterentwicklung der VdPB, dieser ein Fremdkörper mit weitreichenden Kompetenzen implantiert wird. Selbstverwaltung sieht anders aus.
„Entgegen der Verfahrensweise seiner Vorgängerin Melanie Huml“, so Dr. Robert Hinke, Fachbereichsleiter für Gesundheit & Bildung in ver.di Bayern: „hat der vormalige Staatsminister Holetschek einen auf Verschwiegenheit verpflichteten Ausschuss eingerichtet, der sich mit der Weiterentwicklung der VdPB befasste. Wir meinen, in der gesellschaftlichen Debatte über eine Sicherung der pflegerischen Versorgung und einer Stärkung der Pflege gehören alle maßgeblichen Akteure im politischen Feld der Pflege einbezogen. Nur durch eine breite Beteiligung kann eine gute und tragfähige Lösung gefunden werden. Dass folglich ausgerechnet ver.di als maßgebliche Interessenvertretung der Pflegenden von der Diskussion ausgeschlossen wurde und wird lässt nur einen Schluss zu: Die Staatsregierung möchte eine öffentliche Debatte vermeiden.“
Hierauf deutet auch eine kuriose Kette an Verschleppungen hin, auf die die Gewerkschaft auch die Mitglieder des Bayerischen Gesundheitsausschusses aufmerksam machte. Der Ministerrat hatte am 19. Dezember 2023 den Gesetzentwurf beraten und am Folgetag dem Landtag zugeleitet. Dennoch unterließ man es, die eingegangenen Stellungnahmen der Verbände den Abgeordneten zur Verfügung zu stellen. Dass man den Abgeordneten als auch den gesundheitspolitischen Sprecher*innen der Fraktionen die Stellungnahmen erst mit der Ersten Lesung am 24. Januar 2024 bereitstellte, kann als eine erstaunliche Fortsetzung der eben kritisierten Vermeidungspolitik gewertet werden. „Damit nicht genug“, so Hinke, „der als Referenz herangezogene Evaluationsbericht zur Arbeit der Vereinigung der Pflegenden wurde trotz mehrfachen Nachhakens der Opposition dieser mit einer unerklärlichen Verzögerung von einem Jahr reichlich spät bereitgestellt. Dass die kritische Stellungnahme von ver.di Bayern mit dem fragwürdigen Verweis auf eine fehlende Registrierung im Lobbyregister* nicht weitergeleitet wurde, wir darüber erst nach mehreren Monaten, zudem erst nach der Ersten Lesung im Parlament informiert wurden, darf gelinde gesagt als irritierend bezeichnet werden.“
Inhaltlich ist vor allem die geplante Einrichtung einer Kommission zu kritisieren, die faktisch die künftigen Geschicke der VdPB anleiten soll. Diese wird nicht nur dominant von erklärten Gegnern der bayerischen Alternative zum Kammermodell besetzt, die Mitglieder der VdPB selbst wären strukturell in der Minderheit. „Jede Organisation, zumal eine Körperschaft der Selbstverwaltung“, erklärt Klemens, „hat Anspruch darauf, ihre inneren Angelegenheiten selbst zu regeln. Die Zusammensetzung und Kompetenzen der Kommission kommen einem Ende der Selbstverwaltung der VdPB gleich.“
Weiterhin sollen Pflegekräfte einer sanktionsbewehrten Registrierungspflicht ausgesetzt werden. Die hierdurch gewonnenen Daten sollen der systematischen Erkennung und aktuellen Auswertung von pflegerischen Versorgungs- und Qualitätslücken dienen. „Diese Argumentation“, vermerkt Hinke, „verniedlicht die Misere und ist folglich Ausdruck des Problems. Wir haben kein Erkenntnis-, sondern ein Handlungsdefizit. Dass die Herausforderungen nicht konsequent angegangen werden, hat sicherlich nichts mit der Datenlage zu tun, es mangelt vielmehr am politischen Willen, die kostenträchtigen Probleme auch gegen Widerstand anzugehen. So ist wohl auch die jüngste Initiative der Staatsregierung zu verstehen, eine Personalbedarfsbemessung im Bereich der stationären Pflege zu verhindern.“ Statt einer überbordenden Registrierungspflicht empfiehlt ver.di einen institutionalisierten Austausch zwischen dem Gesundheitsministerium, Arbeitgebern, Fort- und Weiterbildungsträgern, Gewerkschaften, der Vereinigung der Pflegenden und Berufsverbänden. „Hier besteht“, so Hinke, „ein recht genaues und stets aktuelles Bild zur Situation und den Bedarfen.“
* Ver.di Bayern vertritt zur Registrierungspflicht im Lobbyregister eine andere Rechtsauffassung als das Landtagsamt. Gewerkschaften sind grundgesetzlich geschützt und haben einen klaren Auftrag mit Verfassungsrang. Daher sind Gewerkschaften, wie etwa auch Kirchen, so die einhellige Auffassung hinsichtlich des Lobbyregisters des Bundestages, von der Registrierungspflicht im Lobbyregister befreit.